Die Grenze am Mandlingpass

 

Über den Mandlingpass verläuft eine bald 950 Jahre alte Grenze, die - als geographisches Kuriosum - die Ortschaft Mandling zwischen den Gemeindegebieten von Radstadt und Schladming, damit auch zwischen den Bundesländern Salzburg und Steiermark aufteilt. Die Blüten, die der Föderalismus heute bisweilen treibt, sind harmlos im Vergleich zu den seinerzeitigen Grenzkonflikten der Salzburger Erzbischöfe mit den steirisch-öster-reichischen Herrschern - und umgekehrt. Denkmalgeschützte Reste von Befestigungs-mauern aus dem 13. bzw. 17. Jahrhundert, ein mit 1677 datierter, markanter Grenzstein und eine relativ hohe Dichte an Infotafeln im Ortskern geben einen Eindruck davon.

Es begann nach 1000, als im Zuge der zweiten deutschen Kolonisation an der Enns die Einflusssphären des Erzbistums Salzburg und der Traungauer Markgrafschaft Steyr aufeinandertrafen.


 1080, kurz nach Ausbruch des Investiturstreites, wurde erstmals eine Grenzlinie vom Dachstein bis zur Steirischen Kaikspitze festgelegt; dass dabei Urkundenfälschung mitspielte, war zu jener Zeit nichts Ungewöhnliches. Zweihundert Jahre später - die Steiermark war inzwischen ein Teil des Habsburgerreiches - bedrohte Herzog Albrecht die Grenzsiedlung, was zu einer Stärkung Radstadts einschließlich der Verleihung des Stadtrechts im Jahr 1289 führte. Die „Ennsburg“, mit der Albrecht den Pass sichern wollte, wurde postwendend durch Truppen des Erzbischofs Rudolf zerstört. Dessen Nachfolger Konrad erhielt die königliche Erlaubnis, das ganze Tal mit einem Schanz- und Befestigungssystem zu überspannen; rechtlich bestätigte der Wiener Frieden von 1297 den Grenzverlauf. Neue Turbulenzen brachte ein verheerendes Hochwasser im Jahr 1661, in dessen Gefolge die Grenze um „91 Schuh“ auf Salzburger Gebiet verschoben wurde. Damit begannen Grenzstreitigkeiten, die erst sechzehn Jahre später durch höchstrangige weltliche und kirchliche Delegationen beigelegt wurden. Die Vermessungsergebnisse des bedeutenden Topographen Georg Matthäus Vischer trugen dazu wesentlich bei. Dem Ereignis ist ein mit Wappenreliefs kunstvoll gestalteter Grenzstein zu verdanken, der heute arrangiert im Ortszentrum steht.

Das benachbarte Hotel Taferne, ein ehemaliger Wirtschaftshof des Salzburger Stifts Sankt Peter, geht auf die Ursprungszeit des Ortes zurück.

Ab 1801, endgültig ab 1815, mit der Eingliederung Salzburgs in das Kaisertum Österreich, verlor die Grenze am Mandlingpass ihre Dramatik. Die Mautstelle, die auch auf einer bekannten Ansicht von 1830 zu sehen ist, war immerhin noch bis 1843 in Betrieb.

1888 wurde am linken Ufer des Mandlingbaches die Lodenmanufaktur Steiner gegründet, noch heute ein wirtschaftliches Aushängeschild der Region.

Gegenüber auf der Salzburger Seite finden sich die schon erwähnten Reste der einstigen Befestigung. Die Jahreszahl 1941 und ein Hakenkreuz über einem Mauerbogen sorgen auf den ersten Blick für Irritation - Aufklärung bietet eine Schautafel, die - etwas ums Eck - diesen Mauerdurchbruch und den anschließenden Felstunnel als erzwungenes Werk französischer Kriegsgefangener ausweist.

1959 wollten die Steirer möglicher Weise die Unverrückbarkeit der Grenze bekräftigen, indem sie - ein paar Schritte weiter - ihrem Erzherzog Johann ein Denkmal zu dessen 100. Todestag setzten.

Eine schöne Auflösung erfährt die von außen in die Ortsgeschichte hineingetragene Grenz- und Konfliktthematik schließlich mit der Johanneskapelle: sie wurde unter tatkräftiger Mithilfe der Mandlinger Bevölkerung errichtet und 1986 als ökumenisches Haus eingeweiht. Seither werden dort regelmäßig und gleichberechtigt evangelische und katholische Gottesdienste abgehalten.



(c) Manfred Pregartbauer, Stand August 2024