Die Grenze am Mandlingpass

 

Über den Mandlingpass verläuft eine tausend Jahre alte Grenze, die - als geographisches Kuriosum - die Ortschaft Mandling zwischen den Gemeindegebieten von Radstadt und Schladming und damit auch zwischen den Bundesländern Salzburg und Steiermark aufteilt. Die Blüten, die der Föderalismus heute bisweilen treibt, sind harmlos im Vergleich zu den seinerzeitigen Grenzkonflikten der Salzburger Erzbischöfe mit den steirisch-österreichischen Herrschern - und umgekehrt. Denkmalgeschützte Reste von Befestigungsmauern aus dem 13. bzw. 17. Jahrhundert und ein markanter Grenzstein geben einen Eindruck davon.

Es begann nach 1000, als im Zuge der zweiten deutschen Kolonisation die Einflusssphären des Erzbistums Salzburg und der Markgrafschaft von Steyr hier an der Enns aufeinandertrafen.


1080 wurde erstmals eine Grenzlinie vom Dachstein über den Mandlingpass bis zur Steirischen Kaikspitze vereinbart - vermutlich mit Hilfe von Urkundenfälschung, was jedoch zu jener Zeit beinahe zum “guten Ton” gehörte. Zweihundert Jahre später entbrannte der Kampf um die Vormachtstellung im Salzhandel. Herzog Abrecht von Habsburg, seit kurzem der steirische Landesherr, bedrohte Mandling, was auf Salzburger Seite zu einer Stärkung Radstadts einschließlich der Verleihung des Stadtrechts im Jahr 1289 führte. Die „Ennsburg“, mit der Albrecht den Pass sichern wollte, wurde von den Truppen des Erzbischofs Rudolf von Hoheneck zerstört. Sein Nachfolger ließ schließlich ein Schanz- und Befestigungssystem aufführen, welches das ganze Tal überspannte. Der Wiener Frieden, auf den man sich 1297 verständigte, brachte eine Bestätigung des bestehenden Grenzverlaufs - wenig Zählbares für so viel militärischen Aufwand..  

Während des Dreißigjährigen Krieges sollten neuerliche Schanzbauten das Eindringen der schwedischen Truppen in das Ennstal verhindern. Einige Jahre später wurde nach einem verheerenden Hochwasser die Grenze am Mandlingbach um „91 Schuh“ auf Salzburger Gebiet verschoben. Neuerlich flammten Grenzstreitigkeiten auf, für deren Beilegung hochrangige weltliche und kirchliche Delegationen sechzehn Jahre und die Expertise  des bedeutenden Topographen Georg Matthäus Vischer benötigten. 

Dem Schlichtungsereignis des Jahres 1677 ist ein kunstvoll gestalteter Grenzstein zu verdanken, der heute statt an der Duchzugsstraße im verkehrsberuhigten Ortszentrum steht.

Das benachbarte Hotel Taferne weist als ehemaliger Wirtschaftshof des Salzburger Stifts Sankt Peter auf die Ursprungszeit des Ortes im 12. Jahrhundert hin.

Ab 1815, nach der Eingliederung Salzburgs in das Kaisertum Österreich, verlor die Grenze am Mandlingpass ihre Dramatik. Die Mautstelle, wie sie eine Radierung von Kunike darstellt, war jedoch noch bis 1843 in Betrieb. 

1888 wurde am linken Ufer des Mandlingbaches die Lodenwalke Steiner gegründet, sie ist noch heute ein wirtschaftliches Aushängeschild der Region.

Gegenüber auf der Salzburger Seite finden sich Relikte der mittelalterlichen Befestigung. Die Jahreszahl 1941 und ein Hakenkreuz über einem Mauerbogen sorgen auf den ersten Blick für Irritation - Aufklärung bietet eine Schautafel, die diesen Mauerdurchbruch und den anschließenden Felstunnel als erzwungenes Werk französischer Kriegsgefangener ausweist.

1959 wollten die Steirer möglicher Weise die Unverrückbarkeit der Grenze bekräftigen, indem sie ihrem Erzherzog Johann ein Denkmal zu dessen 100. Todestag setzten.

Eine schöne Auflösung erfährt die von außen in die Ortsgeschichte hineingetragene Grenz- und Konfliktthematik schließlich mit der Johanneskapelle: sie wurde unter tatkräftiger Mithilfe der Mandlinger Bevölkerung errichtet und 1986 als ökumenisches Haus eingeweiht. Seither werden dort regelmäßig und gleichberechtigt evangelische und katholische Gottesdienste abgehalten.



(c) Manfred Pregartbauer, Stand August 2024